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#gernperdu – ein Wandel in der Unternehmenskommunikation

Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch: flexibel, ortsunabhängig und selbstbestimmt. So lässt sich ebenfalls ein Wandel in der Sprachkultur vieler Unternehmen feststellen. Das distanziert-respektvolle Sie, das bislang fest in der Unternehmenskultur Deutschlands verankert war, scheint auf dem Rückzug. Große Firmen wie Ikea oder Otto haben die Duz-Kultur als feste Umgangsform in ihrem Unternehmen verankert und präsentieren dies auch öffentlich, zum Beispiel in ihren Werten oder auch den Stellenanzeigen.

Initiative #gernperdu

Vier Mitarbeitende der Firma BMW riefen 2019 die Initiative #gernperdu ins Leben. Das Hashtag taucht in Mitarbeiterverzeichnissen, E-Mail-Signaturen oder als Lanyard auf. Es bietet den Mitarbeiter*innen eines Unternehmens die Möglichkeit, den Kolleg*innen im beruflichen Kontext freiwillig das Du anzubieten.

#gernperdu ist nicht nur eine reine Aufforderung zum Duzen, die Initiative verfolgt auch einen tieferen Sinn. Alle Arbeitskolleg*innen sollen so die Möglichkeit bekommen, sich auf Augenhöhe zu begegnen. Eine Auf- oder Abwertung einer Person durch die sprachliche Anrede solle laut der Gründer vermieden werden und so zu einem positiven Kulturwandel führen.

Duzen am Arbeitsplatz

Die Globalisierung und der Kulturwandel tragen dazu bei, dass sich gesellschaftliche Konventionen und Benimmregeln stetig weiterentwickeln und verändern. Konzerne und Firmen werden zunehmend internationaler, wodurch Englisch als Unternehmenssprache immer wichtiger wird. In der englischen Sprache gibt es kein förmliches Sie, es wird ausschließlich geduzt, was nicht zuletzt ein wichtiger Faktor für die wachsende Duz-Kultur in Deutschland ist.

Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2019 duzten sich bereits rund 70 Prozent der Kolleg*innen untereinander, wobei das Alter der Mitarbeitenden keine prägnanten Unterschiede ausmachte. Nur ca. 25 Prozent aller Befragten duzten ihre Vorgesetzten, Kund*innen wurden nur von etwa 7 Prozent nicht gesiezt. Das Duzen unter den Mitarbeiter*innen scheint demnach schon recht weit verbreitet zu sein, während Führungskräfte häufiger mit dem förmlichen Sie angesprochen werden. Doch welche Vorteile kann das Aufbrechen der autoritären Hierarchien mit sich bringen?

Vorteile und Chancen der Duz-Kultur

Eine Duz-Kultur in ein Unternehmen einzuführen kann mehrere positive Aspekte haben. Sie kann durchaus als Eisbrecher fungieren, so fühlen sich neue Kolleg*innen oder Bewerber*innen direkt in ein vertrautes Umfeld mit einbezogen und es kann auf Augenhöhe kommuniziert werden. Das Duzen innerhalb eines Unternehmens kann darüber hinaus auch hierarchische Strukturen abschwächen, Synergien zwischen den Mitarbeiter*innen schaffen und so dazu beitragen, dass jeder/m Verantwortung zugetragen wird und ein wichtiger Bestandteil der Firma ist.

Laut einer Studie vom Wirtschaftspsychologen Uwe Kanning und der HR-Beraterin Sarah Winkelmann überzeugen Unternehmen mit einer internen Duz-Kultur durch ein besseres Arbeitsklima, Innovation und Mitarbeiter*innenorientiertheit. Durch diese Aspekte kann nicht nur die Firmenkultur, sondern auch das Image des Unternehmens positiv beeinflusst werden. Ein persönlicher Umgangston kann darüber hinaus auch bei den einzelnen Arbeitnehmer*innen zu mehr Motivation und letztlich auch zu einer gesteigerten Arbeitsleistung führen. Auch die kurzen, persönlichen Wege zu den Führungskräften, die sich unwiderruflich durch eine Duz-Kultur ergeben, wissen viele Mitarbeiter*innen zu schätzen. Sie befördere das Miteinander und helfen, kritische Themen leichter anzusprechen, so Professor Tim Hagemann.

Mögliche Risiken der Duz-Kultur

Dennoch sehen einige das persönliche Duzen am Arbeitsplatz als problematisch an, zumindest wenn es um eine vorgeschriebene Duz-Kultur geht. Die eigentlich positive Distanzminderung zwischen den Hierarchieebenen, kann auch kritisch betrachtet werden. Durch ein persönliches Arbeitsklima könnte es schwerfallen eventuelle Konfliktsituationen im Unternehmen professionell zu lösen. Auch unangenehme Angelegenheiten, wie eine Abmahnung oder eine Kündigung könnten, angesichts des Duzens zwischen Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in zu Schwierigkeiten führen.

Weiterhin ist zu beachten, dass ein angebotenes Du nur schwer wieder zurückgezogen werden kann. Kommt es zu Meinungsverschiedenheiten, kann Kritik als persönlich empfunden werden.

Zu diesen Unternehmen passt das Duzen

Eine Duz-Kultur passt nicht ausnahmslos in jedes Unternehmen und sollte auch nicht ohne weiteres eingeführt werden. Grundsätzlich sollte beachtet werden, dass ein persönlicher Umgangston auch immer zur Unternehmenskultur passen sollte, um negative Folgen zu vermeiden. Die Duz-Kultur ist offen, innovativ und modern, das sollte auch in der Firma zu finden sein, damit diese Kommunikationsform Anklang findet.

Vor allem junge Firmen und Start-Ups profitieren von den flachen Hierarchien. Die Einführung des Duzens würde hier vermutlich nur positive Eigenschaften, wie eine Verbesserung des Arbeitsklimas zur Folge haben. Auch in der IT- und PR-Branche wird überwiegend geduzt. In traditionelleren Bereichen, wie in Versicherungsagenturen oder im Öffentlichen Dienst könnte die Duz-Kultur zu Schwierigkeiten führen, weshalb hier zum Großteil noch das förmliche Sie vorzufinden ist.

Fazit

Eine persönliche Arbeitsatmosphäre eröffnet Firmen eine Vielzahl an Chancen. Mitarbeitende fühlen sich wohler, kommen gerne zur Arbeit, woraus folgt, dass die Unternehmensziele schneller umgesetzt werden können, bis hin zu steigenden Umsätzen. Eine Duz-Kultur allein reicht hierfür aber nicht aus. Auch alle anderen Parameter (Bezahlung, Work-Life-Balance usw.) müssen passen. Für eine erfolgreiche Duz-Kultur sollten die Mitarbeiter*innen vor allem selbstständig entscheiden dürfen, wie sie Kolleg*innen ansprechen möchten. Gerne dürfen auch die Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen und ihren Arbeitnehmer*innen das Du anbieten.

#gernperdu steht für die Gleichwertigkeit von Menschen und das sollte doch in jedem Unternehmen an erster Stelle stehen.

Über die Autorin
Luna Schlue ist Praktikantin bei der AWADO Kommunikationsberatung und kann so erste berufliche Erfahrungen im Bereich Social Media Kommunikation sammeln. Sie studiert Germanistik an der Leibniz Universität in Hannover und macht dort in diesem Jahr den Bachelorabschluss. In ihrem Praktikum setzt sie nun die Theorie in die Praxis um.

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