Startseite » Blog » Kommunikative Krisen durch proaktive Kommunikation entschärfen

Kommunikative Krisen durch proaktive Kommunikation entschärfen

Alt-Kanzler Helmut Schmidt sagte einmal: „In der Krise zeigt sich der Charakter“. Dies gilt nicht nur für einzelne Personen, sondern insbesondere auch für Unternehmen. Denn Krisen stellen diese vor besondere Herausforderungen. In Zeiten digitaler Medien ist der Handlungsdruck nochmals größer.

Die Öffentlichkeit erwartet eine proaktive, transparente, zielgerichtete und allumfassende Reaktion. Durch professionelles Handeln in Krisenzeiten bewahren Unternehmen ihre Reputation vor nachhaltigem Schaden.

In den vergangenen Jahren ist beispielsweise die Landwirtschaft zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Forderungen nach mehr Umwelt- und Tierschutz, dem Umstieg auf Bio-Landwirtschaft und mehr politischer Regulierung wirken sich auf den Agrarsektor aus. Zunehmend stehen Großbetriebe, aber eben auch einzelne, familiengeführte landwirtschaftliche Betriebe in der Kritik. Im Interview mit Norman Edelmann, Experte für präventives und reaktives Krisenmanagement bei der AWADO Kommunikationsberatung, sprechen wir heute über Krisenkommunikation am Beispiel der Landwirtschaft.

Herr Edelmann, welche kommunikativen Krisen gibt es in Unternehmen?

Wir unterscheiden in der Theorie zwischen der eruptiven, der periodischen und der schleichenden Krise. Ich erinnere mich an einen Fall bei einer Agrargenossenschaft in Neuzelle. Hier gab es eine typische eruptive Krisenform: Also ein nicht vorhersehbares Ereignis, das massive Folgen für das Image eines Unternehmens hat und im schlimmsten Fall eine existenzbedrohende Wirkung entfalten kann. Durch geeignete Maßnahmen kann die Krise in der Regel schnell wieder abebben. Da gilt es also sofort, schnell und umfassend zu reagieren, damit aus dem ersten Feuer kein Flächenbrand wird. Für landwirtschaftliche Unternehmen ist es aber die periodische bzw. wellenförmige Krise, auf die besondere Aufmerksamkeit gelegt werden müsste.

 

Warum?

Dafür gibt es unterschiedliche Gründe: Die Produktion von Lebensmitteln ist ein gesellschaftliches Thema mit hoher emotionaler Relevanz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern und permanentem Handlungsdruck für die Politik. Unterschiedliche Einflussfaktoren – von nachhaltigen über gesundheitliche bis hin zu finanziellen Implikationen – wirken durch die Gesellschaft auf Politik und Industrie ein. Das Thema geht in den Medien also immer, hat ein immenses Skandalisierungspotenzial und in den sozialen Medien bietet es jede Menge Potenzial für „Likes“ auf pointierte Posts und kritische Stimmen. Dann haben wir hier eine sehr aktive Community von Nicht-Regierungsorganisationen, die von Spenden leben. Und jeder Landwirtschaftsskandal – ob tatsächlich vorhanden oder künstlich erzeugt – wirkt wie ein Konjunkturprogramm. Ehrlich gesagt, ist es fahrlässig, wie die Landwirtschaftsbranche sich kommunikativ diesem Thema stellt.

 

Was meinen Sie?

Meine Wahrnehmung ist, dass man versucht, mit Mitteln und Instrumenten des letzten Jahrhunderts Interessen zu vertreten, es aber versäumt, die gesellschaftliche Meinungsbildung an der Wurzel zu beeinflussen. Also: Man versucht in Politikgesprächen Interessen durchzusetzen, manchmal begleitet von einer medial dankbaren Demonstration mit Traktoren in Berlin oder Brüssel. Aber präventiv vor allem dort aktiv zu sein, wo Meinung mittlerweile maßgeblich gebildet wird, nämlich in den sozialen Medien, da ist die Branche sehr schwach aufgestellt. Das ist so, als würden Sie einen Fluss mit einem immer höheren Damm zähmen wollen, anstatt im Quellgebiet Maßnahmen durchzuführen. Am Ende haben sie keine Chance, weil die Fließgeschwindigkeit immer größer wird und dann den Damm mit voller Wucht trifft und diesen am Ende zerstört.

 

Sie denken also, dass mehr aktive und präventive Kommunikation erforderlich ist?

Ja, das Internet bietet dafür doch die richtigen Kanäle, mit denen ich Millionen relevante Akteure aus Gesellschaft, Politik und Industrie gleichermaßen erreiche. Von LinkedIn über TikTok, Instagram oder Facebook – die Möglichkeiten sind mannigfaltig. Auf diesen Kanälen muss die Sicht der Bäuerinnen und Bauern sowie der Genossenschaften sehr viel stärker wahrgenommen werden als bislang.

 

Aber wie soll das geleistet werden? Die Bauern und die Betriebe brauchen ihre Ressourcen für ihre eigentlichen Aufgaben.

Auch die Kommunikation ist eine eigentliche Aufgabe von Unternehmen in einer Informationsgesellschaft, ob wir wollen oder nicht. Sie prägt Reputation und ist zugleich Garant für die Licence to operate. Also die gesellschaftliche Akzeptanz eines Unternehmens und teilweise gar einer ganzen Branche. Wenn ich nicht aktiv dafür arbeite, diese Akzeptanz aufrechtzuerhalten, muss ich mich – längerfristig betrachtet – nicht wundern, wenn ich als gesellschaftlich irrelevant eingestuft und mein Geschäft somit zerstört wird.

 

Ich verstehe aber auch die Sicht der Bäuerinnen und Bauern, dass für Kommunikation kaum oder keine Kapazitäten vorhanden sind. Was ich aber nicht nachvollziehen kann, ist, warum nicht ganz nach dem genossenschaftlichen Motto „Was einer nicht kann, das vermögen viele“ die Kräfte gebündelt werden. Gerade für die Agrargenossenschaften wäre das ein Weg. Die Genossenschaftsbanken machen das übrigens erfolgreich vor mit ihren gemeinsamen Plattformen für die Social Media-Kommunikation und ihre Webpräsenz.